Arbeitsprinzipien
Die Soziale Arbeit mit Fußballfans versteht das Denken und Handeln junger Fußballfans vor dem Hintergrund, dass Fußball und die damit verbundene Fankultur prägnante und prägende Teile ihrer Lebenswelt und somit auch ihrer Persönlichkeit sind. Die Adressat:innen werden mit all ihren Bedürfnissen, Interessen und Haltungen als Expert:innen für sich selbst und ihrer Lebenswelt angesehen. Wir nehmen an der Lebenswelt junger Fußballfans teil. Dies geschieht vor allem durch die Begleitung von Fangruppierungen an Heim- und Auswärtsspielen des jeweiligen Bezugsvereins sowie durch aufsuchende Arbeit an Szenetreffpunkten, offene Angebote oder zielgerichtete Unterstützung. Handlungsleitend ist ein Dialog auf Augenhöhe mit den Adressat:innen und die gemeinsame Reflexion von Handlungsmöglichkeiten hinsichtlich ihrer Lebenslagen.
Die Teilnahme an der Lebenswelt junger Fans ermöglicht uns, Normen und Werte sowie gruppendynamische Prozesse innerhalb der Fanszene kennenzulernen, nachzuvollziehen und kritisch zu reflektieren. Einem partizipativen Verständnis folgend werden gemeinsam mit jungen Fußballfans Angebote und Projekte entwickelt, um auf deren Bedürfnisse einzugehen.
Die Grundlage unserer Arbeit besteht darin, zu den jungen Fußballfans tragfähige und belastbare Beziehungen aufzubauen. Über aufsuchende Arbeit und jugendspezifische Angebote, die sich durch Kontinuität, Verlässlichkeit und Attraktivität auszeichnen, bauen wir Vertrauen auf. Authentizität, Empathie und Transparenz der Fanprojektmitarbeiter:innen sind wichtige Voraussetzungen für dieses Vertrauen und die darauf aufbauenden Beziehungen.
Wir arbeiten nach dem Ansatz Akzeptierender Jugendarbeit. Mitarbeiter:innen der Fanprojekte begegnen den jungen Fußballfans, unabhängig ihrer Lebenssituation, ihrer Einstellungen und ihres Lebensstils mit Wertschätzung. Ein akzeptierender Ansatz in der Sozialen Arbeit mit Fußballfans bedeutet die Strukturen innerhalb der Fanszene sowie von Fangruppierungen anzuerkennen. Darüber hinaus sehen Fanprojektmitarbeiter:innen hinsichtlich des Denkens und Handelns ihrer Adressat:innen nicht nur die Relevanz des Systems Fußball, sondern auch die Bedeutung anderer relevanter Systeme wie bspw. Familie, Schule oder andere Peer-Konstellationen außerhalb der Lebenswelt Fußball- und Fankultur.
Diversität meint die Unterscheidung und zugleich die Anerkennung von individuellen oder gruppenbezogenen Merkmalen. Wir beurteilen Personen nicht hinsichtlich einzelner Merkmale wie bspw. Geschlecht, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, soziale oder kulturelle Herkunft. Eine Querschnittsaufgabe Sozialer Arbeit mit Fußballfans ist die Herstellung von Chancengleichheit. Fanprojektmitarbeiter:innen nehmen Vielfalt als Bereicherung wahr und tragen zur Anerkennung von Unterschieden und zum Schutz vor Diskriminierung bei. Fanprojekte sensibilisieren und klären mit verschiedenen Angeboten und Projekten zu Diskriminierungsformen jeglicher Art auf. Fanprojekte arbeiten geschlechtersensibel, transkulturell, intersektional und inklusiv. Wir sprechen uns klar gegen Gewalt, Antisemitismus, Homophobie, Faschismus, Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungsformen aus.
Unsere Angebote basieren auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Über Dauer und Intensität von Kontakten bestimmen die jungen Fußballfans selbst, sowie über ihre Teilnahme an Projekten und Angeboten. Die Adressat:innen entscheiden selbst, inwieweit sie unsere Teilnahme an ihrer Lebenswelt, beispielswiese bei der Begleitung an Spieltagen, zulassen.
Die Angebote von Fanprojekten sind offen gestaltet, sodass es allen interessierten (jungen) Fußballfans möglich ist, diese auch in einem geschützten Rahmen wahrzunehmen. Die Zeiten und Orte der Angebote sind flexibel und orientieren sich an den Bedarfen und Bedürfnissen junger Fußballfans. Im Rahmen der aufsuchenden Jugendarbeit, d.h. bei der Begleitung an Spieltagen sowie an Szenetreffpunkten, sind wir präsent und jeder Zeit ansprechbar.
Soziale Arbeit mit jungen Fußballfans fokussiert ihre Stärken und orientiert sich nicht an ihren Defiziten. Pädagogische Angebote, Begleitung und Beratung zielen darauf ab, sie in ihrem Selbstwertgefühl und Verantwortungsbewusstsein zu fördern. Dabei werden Kompetenzen wie Eigenverantwortlichkeit, Toleranz, Rechtsempfinden und Kommunikation hin zu gewaltfreien Konfliktlösungen vermittelt. Wir ermutigen junge Fußballfans, sich für ihre eigenen Belange einzusetzen.
Partizipation ist ein durchgängiges Arbeitsprinzip von Fanprojektarbeit. Junge Fußballfans werden ermutigt, ihre Themen und Bedarfslagen eigenständig zu bearbeiten, die jeweiligen Handlungsschritte zu erkennen und diese selbständig zu vollziehen. Wir haben dabei stets eine begleitende Funktion, die Befähigung und Motivation der jungen Menschen zur Teilhabe an gesellschaftlichen und politischen Aushandlungsprozessen ist dabei handlungsleitend.
Wir verhalten uns unseren Adressat:innen gegenüber offen, ehrlich und authentisch und machen ihnen deutlich, welche Auswirkungen, Möglichkeiten und Grenzen ihr Handeln haben kann. Transparentes Handeln ist eine Schlüsselkompetenz.
Vertrauensschutz, Verschwiegenheit und Anonymität sind unabdingbar für eine belastbare Beziehung zwischen Fanprojektmitarbeiter:innen und ihren Adressat:innen. Wir sind laut §65 SGB VIII (Besonderer Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe) zum Vertrauensschutz verpflichtet und unterliegen dem §203 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen). Sozialpädagogische Arbeit mit jungen Menschen kann nur gelingen, wenn eine langfristige belastbare persönliche Beziehung zu ihnen aufgebaut ist und ein enges Vertrauensverhältnis besteht. Darum ist die Schweigepflicht unabdingbar. Das ist die Basis dafür, dass sich Adressat:innen mit ihren Problemen an uns wenden, um gemeinsam ihr Verhalten zu reflektieren und positive Verhaltensänderungen anzustoßen.
Den Fanprojektmitarbeiter:innen muss es möglich sein, sich auch in kritischen Situationen nah an ihren Adressat:innen zu bewegen. Die Soziale Arbeit mit jungen Fußballfans kann nur erfolgreich sein, wenn ein besonderer Vertrauensschutz gewährleistet ist. Darum spricht sich das VfB Fanprojekt auch für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Fansozialarbeit aus. Das 2018 veröffentlichte Rechtsgutachten „Strafprozessualer Reformbedarf des Zeugnisverweigerungsrechts in der Sozialen Arbeit“ begründet den notwendigen Reformbedarf. Deshalb haben sich Bundesverbände und Vereinigungen im „Bündnis für ein Zeugnisverweigerungsrecht in der Sozialen Arbeit“ (BfZ) zusammengeschlossen, um sich für eine Erweiterung des Zeugnisverweigerungsrechts auf alle Bereiche der Sozialen Arbeit einzusetzen.
Fanprojekte kommunizieren und vertreten die Interessen von Fußballfans gegenüber Netzwerkpartner:innen und gegenüber der Öffentlichkeit, mit einem stets kritisch reflektierten Blick auf entsprechende Themenstellungen, Stand- und Konfliktpunkte. Auch hierbei treten sie advokatisch für Fans ein.
Die VfB Fanprojektmitarbeiter:innen agieren als Übersetzungs- und Vermittlungsinstanz zwischen unterschiedlichen Interessensträger:innen und schaffen damit Kommunikationsstrukturen in alle Richtungen. In verschiedenen Gremien und Arbeitskreisen sowohl auf lokaler wie auch auf überregionaler Ebene sind wir Interessensvertreter:innen unserer Adressat:innen und unserer sozialpädagogischen Arbeit.